Sonntag, 20. September 2015

HALTERN=ALISO?

Nach R: FRANZ CRAMER ist diese Frage angesichts der Bedeutung der Anlagen in Haltern zweitrangig. Die "Werke"-so Cramer-"waren jedenfalls eine gewisse Zeitlang ein Stützpunkt ersten Ranges für das römische Heer im rechtsrheinischen Germanien."
Oberstleutnant F. Schmidt fand in den 30iger Jahren des 19. Jh. römische Befestigungsanlagen auf dem Annaberg bei Haltern. Gefunden wurden auch Waffen, Bleikugeln und Münzen aus der augusteischen Zeit.
Im Norden und Süden des Kastells befinden sich unwirtliche Sanddünen, im Osten Sumpf. Das Kastell ist kein regelmäßiges Viereck, da es dem Gelände angepaßt wurde.
1900 wurde weiter nordöstlich ein großes Lager gefunden. Dieses Lager weist verschiedene Bauzeiten auf. Außerdem: ein Stapelplatz an der Lippe. 1901 wurde ein kleines Uferkastell nachgewiesen, das die Werftanlagen schützen sollte. Ausgrabungsleiter waren u.a.: C. Schuchhardt, F. Koepp, H. Dragendorff. Bei den Anlagen handelte es sich um "Holz-Erdwerke".

Die unregelmäßige Form des Kastells auf dem Annaberg (gewundene Linien, abgestumpfte Ecken) deutet auf die frühe Römerzeit in Germanien hin (älteste Halterner Anlage).
Die Lage ist gut gewählt: Das Kastell befindet sich auf einem hohen und steilen Abhang. Es ist 7 ha groß. Die Anlage hat einen Wall mit "Holzwandeinfassung" und einen Spitzgraben. Alle 30 m gab es einen Turm. Das Lager hatte zwei Tore (im Nordwesten und Nordosten). F. CRAMER glaubt, daß das Annabergkastell bis in die Zeit des Drusus zurückreicht. Da es fest gebaut war, ist anzunehmen, daß es für längere Zeit konzipiert war.
Die kleinen Befestigungen am Lippeufer dienten dem Schutz des Hafenverkehrs und der Vorratshäuser.
"Etwa 800 Meter westlich von dem Eingange in den Ort, an der Weseler Landstraße, ist im Gelände noch heute eine rechtwinklig eingeschnittene Einbuchtung deutlich bemerkbar: es ist die Stelle des römischen Hafens."
Die großen Mengen gefundener Getreidekörner (meist Weizen) deuten darauf hin, daß es dort einstmals einen großen Kornspeicher gegeben hat. Die Körner waren angekohlt, was auf einen Brand hindeutet. (Was damals genau geschehen ist, werden wir wohl nie erfahren.)
"Wir haben es in Haltern zweifellos mit einer Hauptniederlage für die Lebensmittelbedürfnisse der römischen Truppen in Niedergermanien zu tun."
Bei den Uferbefestigungen wurden mindestens vier "Wall-und Grabenbauzeiten" festgestellt. Auch ist es sehr wahrscheinlich, daß der Platz ein Brückenkopf war (Flußübergang; karoling. Uferbefestigungen; Holzpfähle aus dem alten Lippebett).
Als die Bedeutung des Hafenplatzes stieg, "entstand das eigentliche Legionslager (auch hier mehrere Bauphasen).
"Es liegt auf einer nach allen Seiten abfallenden Höhe, die 30 Meter über dem Flusse liegt und einen weiten Blick in die Ebene und das waldige Hügelland gewährt. Zunächst wurde das heute sogenannte 'Feldlager', 600 Meter im Quadrat (35 ha) umfassend, errichtet; es reichte für zwei Legionen." Es war kein Marschlager, wie man zunächst glaubte, sondern ein Standlager. Allerdings wurde es nur im Sommer benutzt, da "nach ausdrücklichem Zeugnis des Altertums, erst Tiberius im Winter des Jahres 4 auf 5 nach Chr. im Innern Germaniens ein Lager bezog." Durch einen Münzfund konnte nachgewiesen werden, daß es noch im Jahr 2 vor Chr. bestand. Die Anlage war von fester Bauart (Plaggenwall, Holzbauten im Innern).
"Auf dieses Feldlager folgte dann das Winterlager, im Osten etwa fünfzig Meter über das ältere Lager vorgeschoben (das sogenannte 'Große Lager'); es ist kleiner als dies ältere, und nur für eine Legion (mit ihren Hilfstruppen) berechnet (490:390, später nur 340 m). Dagegen ist es durch doppelten, sehr tiefen und breiten Spitzgraben geschützt, sowie durch festen Holzerdwall mit Zinnen (wovon eine Strecke heute als Modell erneuert dasteht). Außergewöhnlich ist die Lage der "porta praetoria" an der Längsseite nach Süden hin (sie befindet sich normalerweise an der Schmalseite). Das Nordtor ist zur Westseite hin verschoben "und nimmt die höchste Lagerstelle ein, von wo das Lager die Gegend völlig beherrscht."
Die Tore sind 8 m breit. Rechts und links von den Toren ist der Graben unterbrochen, der Wall verläuft 10, 5 m nach innen. Der Feind war in dieser Torgasse starkem Beschuß ausgesetzt.
"Zudem aber schloß ein schweres, turmartiges Balkengerüst nach hinten zu den Durchgang zwischen den Wallenden ab; der eigentliche Torweg unter dem Gerüst war durch einen Pfeiler geteilt und konnte durch zwei schwere Holzpforten versperrt werden."
Hinter dem Südtor gab es einen offenen Wasserbehälter. Ein alter Hohlweg führt heute noch dahin.
Das Praetorium wurde dreimal aufgebaut! Dahinter wurde die Wohnung des Legaten gefunden.
1. Phase: Mittelbau: Rechteck, 54:45 m; starke Holzwände, vorderer Teil: großer Hof, auf vier Seiten von Hallen umgeben; Rückwand des Rechtecks ("nach Süden sich öffnend"): wohl die Amtsräume des Legaten, Augang zur Lagerstraße "und durch eine Säulenhalle zur Legatenwohnung."
Phase 2: Verkleinerung des vorderen Hofes; dadurch wurde Platz frei für einen Hof im hinteren Teil.
Legatenwohnung: gedieltes Atrium, Impluvium, Zisterne; ringsherum Räume; z.T. unregelmäßiger Grundriß; "im wesentlichen erkennen wir die Grundform eines römischen Hauses."
Hinterer Lagerteil=retentura: Kasernen aufgedeckt (60 auf 15 m; 10 Zimmer); langgestreckte Form (vgl. Kasernen in Novaesium=Neuß; diese allerdings 1/3 größer).
"Die größte Fülle der Kleinfunde fand sich an der Via principalis, und dies ist nicht zu verwundern, da dort die Offizierswohnungen lagen: hier spiegelt sich die Behaglichkeit des Lagerlebens in der freilich kurzen friedlichen Zeit zwischen dem Jahre 4 n. Chr., da Tiberius das Land als unterworfen ansehen durfte, und dem Jahre 9, das die Varusschlacht und die Zerstörung des Lagers brachte. In diese Jahre fällt auch besonders die Entwicklung einer bürgerlichen Niederlassung, des sogenannten canabae."
Nach dieseer Zeit: nur vorübergehende Benutzung, "wahrscheinlich nur mehr zur Zeit des Germanikus (i. J. 16)."
Große Funde an Tongeschirr provinzialischer Art (Belgien, Rhein), aber auch ital. Sigillataware (Fabrik des Ateius/ Arezzo; fand sich meist in den Offiziersquartieren; wichtig für die "Erkenntnis der römischen Keramik in der kaiserlichen Frühzeit und zur Gewinnung fester zeitlicher Ansätze, da ja alles sich zusammendrängt in die kurze Spanne der zwanzig Jahre von der Zeit des Drusus bis auf Varus.")
Schließlich die Frage aller Fragen: "Haben wir in Haltern das langgesuchte Aliso vor uns?"---
Aliso wird nur zweimal genannt (Velleius, "der als höherer Offizier mit Tiberius bis zur Elbe kam, zum Jahre 9, als es nach der Varuskatastrophe der Zufluchtsort der Flüchtenden wurde"; "Tacitus zum Jahre 16, der berichtet, Germanicus habe von diesem Lager aus (damals wohl dem östlichsten an der Lipe) neue limites bis zum Rheine angelegt.")
"Ob man dagegen das von Drusus an der Mündung des Elison in die Lippe angelegte Kastell mit Aliso gleichsetzen darf, ist nicht ohne weiteres sicher, da zwar in beiden Namen gewiß derselbe Wortstamm (ein Flußname) steckt, aber im Lippegebiet gerade Bäche solchen Namens (z.B. die Else bei Elsen) sich oft wiederfinden."
An welchem Abschnitt der Lippe Aliso einst lag, ist unklar: "das meiste scheint freilich für die mittlere Strecke zu sprechen. Bis jetzt ist in Haltern wenigstens nichts gefunden worden, was gegen diese Gleichsetzung spräche."
Zwar waren die Anlagen bei Haltern die wichtigsten an der Lippe, dennoch sei dadurch  "die Streitfrage selbst keineswegs entschieden". Auch könnten die "Anhänger der Haltern-Aliso-Hypothese" sich nicht auf Funde stützen. Ebenso läßt uns die literarische Überlieferung im Unklaren. Wir efahren zwar ab und zu etwas von einem Lippekastell, aber der Name wird nicht genannt. Nach TACITUS entsetzte Germanicus im Jahr 16 ein solches Lippekastell ("castellum Lupiae adpositum"). Wenige Sätze weiter im Text wird Aliso genannt (Tacitus, ann. II, 7). Ob beide identisch sind, läßt sich dennoch leider nicht mit Sicherheit sagen.
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Donnerstag, 27. August 2015

CALIGAE AC CALCEI

Die sog. "caligae" sind die Militärsandalen des römischen Soldaten, die wahrscheinlich schon in der späten Republik aufkamen. Die Sohle ist dreilagig, genagelt und besteht aus Rinderleder. Das Leder ist gegerbt und war meistens naturfarben. Gab man zur Gerbsäure Kupfervitriol hinzu, das mit Eisen verunreinigt war, entsand das sog. "Schusterschwarz" (atramentum sutorium). Die Sandale ist aus einem Stück geschnitten und an der Ferse zusammengenäht. Durch die Nägel wog die Sandale 650 g. Nach 500-1000 km Marsch war sie "hinüber". Daher gab es Nagelgeld (clavarium), um neue Nägel zu kaufen. Zusammengehalten wurde die Sandale durch einen Riemen, der durch die Löcher des Riemenwerkes am Fußrücken gezogen wurde. Bis hinauf zum Centurio waren die "caligae" Standard, weshalb diese Soldaten auch "milites caligati" genannt wurden. Tribunen, Praefekten und Legaten hingegen trugen die sog. "calcei". Die "calcei" waren auch Teil der Ausgehkleidung (vestis forensis). So gab es den "calceus equester", den "calceus senatorius" und den "calceus patricius" (rot gefärbt, vier Riemen). Diese Schuhe wurden mit  Riemen (corrigae) über dem Schienbein gebunden. Legaten und senatorische Tribunen (tribuni laticlavi) trugen den "calceus patricius", Offiziere aus dem "ordo equester" (tribuni angusticlavii) den "calceus equester". Im Mainzer Legionslager wurden originale "caligae", aber auch geschlossene Schuhe gefunden.
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Bei FLAVIUS JOSEPHUS, BELL. IUD 5, 1 lesen wir von einem tragischen Zwischenfall. Ein Centurio rutschte mit seinen genagelten "caligae" auf den Stufen des Tempels in Jerusalem aus. Auf dem Boden liegend, wurde er von Juden gemeuchelt.
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Quelle: A. STRASSMEIR/ A. GAGELMANN: DAS HEER DES VARUS (Heere und Waffen 14).

Samstag, 1. August 2015

KAISER HADRIAN IN RAETIEN

HADRIAN (117-138) war anders als seine Vorgänger nicht mehr auf Eroberungen aus, sondern versuchte das Erreichte zu sichern und zu bewahren. 13 Jahre bereiste er unermüdlich das Reich und traf viele Anordnungen, die noch lange positiv nachwirkten. Die Provinzen des Reiches sah er als gleichberechtigt an! Er führte Verwaltungsreformen durch, prüfte ihre wirtschaftliche Kraft und ordnete Bauprojekte an. Die Truppen-so sein Ziel-sollten aus den Provinzen rekrutiert und durch sie verorgt werden. Auf seiner ersten Reise (120/ 1) kam der Kaiser über Gallien und Germanien auch nach Raetien, wo er in AUGUSTA VINDELICUM, der Provinzhauptstadt, prunkvoll empfangen wurde. Die Stadt muß Flair gehabt haben, denn TACITUS nennts sie "splendidissima Raetiae provinciae colonia". Auch HADRIAN scheint von der Stadt nicht wenig angetan gewesen zu sein. Er verlieh ihr prompt Stadtrecht und machte sie zum MUNICIPIUM AELIUM AUGUSTUM. HADRIAN sorgte sich auch um den Grenzverkehr. Daher sah man einen Zusammenhang zwischen seinem Besuch und Maßnahmen am Limes. Der ganze Limes erhielt damals eine durchgängige Holzpalisade. Die These, HADRIAN sei dafür verantwortlich gewesen, ließ sich allerdings für viele Limesabschnitte nicht aufrechterhalten. So wurde an der Stelle, wo der obergermanische Limes und der raetische zusammenstoßen, die Palisade erst unter ANTONINUS PIUS (138-161) gebaut. Auch gibt es keinen Beweis für die Erbauung der Kastelle für Alen und Cohorten am Limes durch HADRIAN. Ebenfalls sind die sog. NUMERI (leichte Truppen für die Grenzüberwachung) nicht seine Erfindung. Es gab sie schon früher (s. Kleinkastell Unterschwanningen).
Um an seine Reisen zu erinnern, ließ der Kaiser Münzen prägen. Auf diesen ist eingeprägt:
1.) ADVENTUI AUGusti NORICI
2.) EXERCITUS NORICUS
3.) EXERCITUS RAETICUS
Es gibt auch Münzen (Semis und Quadrans=1/4 und 1/2 As), auf denen die Worte "METalla NORica" zu lesen sind, womit die norischen Bergwerke gemeint sind.
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(Dort kommen übrigens alle Schüler hin, so erzählt man, die in Latein versagen!)
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Quelle: HANS-JÖRG KELLNER: DIE RÖMER IN BAYERN.




Samstag, 18. Juli 2015

HANS-JÖRG KELLNER: DIE RÖMER IN BAYERN

Süddeutscher Verlag, München 1971-78.
ARGUMENTUM:
Vorwort
Das Voralpenland vor den Römern
Die Kelten
Manching, Hauptort der Vindeliker

Die Römer in Bayern: EROBERUNG UND AUSBAU
Das Ende der keltischen Freiheit
Der Sommerfeldzug 15 v. Chr.
Militärische Sicherung
Einrichtung der Provinzen
 Wirre Zeiten nach Neros Tod
Erste Grenzvorschiebung unter Vespasian und Titus
Die Chattenkriege unter Domitian und ihre Folgen

BLÜTEZEIT

Ausbreitung der Besiedlung
Die Römerstraßen
Ein Kaiser in Raetien
Verstärkung der Grenzwehr
Das raetische Heer
Die Markomannenkriege
Septimius Severus
Städte, Märkte, Gutshöfe
Wirtschaft, Handel und Verkehr
Geldumlauf und Zahlungsverkehr
Kunst
Zivilisation
Sanitätswesen und Hygiene
Religion und Kult
Grabbrauch
Freundschaft, Liebe, Ehe

DIE ALAMANNENSTÜRME IM 3. JAHRHUNDERT

Erstes Auftreten der Alamannen
Der erste Einbruch in den Limes
Neue Kämpfe
Raetien  Not
Rom kämpft um Raetien

SPÄTZEIT UND ENDE

Befreidung und Reformen unter Diocletian
Nachblüte in der Constantinischen Zeit
Das Ende kündigt sich an
Ein Kaiser als Festungsbauer
Flachlandraetien wird aufgegeben

Von den Römern zu den Baiern

DER HEILIGE SEVERIN
ZUR KONTINUITÄT
EINWANDERUNG DER BAJUWAREN?

Anhang

Literatur und Anmerkungen
Verzeichnis der wichtigsten Ortsnamen
Abbildungsnachweis
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Das Buch ist sehr schön gemacht. Fast alle Lebensbereiche werden angesprochen. Reiche Bebilderung (wie z.B. die Rekonstruktion der raetischen Mauer auf S. 133).






















































Donnerstag, 2. Juli 2015

CENTURIAE AC CENTURIONES

Die Front der "centuria" wird als "prior" bezeichnet, der hintere Teil logischerweise als "posterior".
Situation bis ins späte 2. Jh. v.: 1 legio=30 manipuli (jeweils 160 oder 120 "milites" (Soldaten); befehligt von einem jüngeren "centurio" und einem älteren, der das Kommando hatte; POLYBIOS 6, 24) und wohl chronisch unzufrieden mit seinem "collega minor" war, ganz zu schweigen von den "tirones" (Rekruten; "alles Weichmänner" etc.)
AULUS GELLIUS, NOCTES ATTICAE 16, 4, 6 zitiert CINCIUS ALIMENTUS (nicht der Erfinder der Alimente by the way), der es auf den Punkt bringt: "IN EINER LEGION GIBT ES 60 ZENTURIEN, 30 MANIPEL UND 10 KOHORTEN."
Es ist wahrscheinlich, daß der "centurio prior" ranghöher war als der "centurio posterior". In einer "cohors" waren die "pili centuriones" wohl die ranghöchsten, gefolgt von "principes" und "hastati"; vgl. die alte Einteilung des "manipulus" in ebendiese Klassen. Der Unterschied war wohl nur ein Unterschied des Dienstalters. Eindeutig übergeordneten Rang hatten die "primi ordines", deren höchster der "primus pilus" (erster Wurfspieß) war. Der "aquilifer" (Adlerträger; höchster Feldzeichenträger) befand sich in dessen "centuria". In der "aquila" wohnte der "genius legionis", der Schutzgeist einer Legion (hoher Symbolwert!).
Es gibt keinen Beweis, daß der "primus pilus" das Kommando über die "cohors prima" hatte.
Man mußte über 10 Jahre alle Dienstgrade einer "centuria" durchlaufen, um "centurio" zu werden (also jede Menge Dreck fressen), es sei denn man gehörte dem "ordo equester" ("Ritterstand") an, dann konnte man sozusagen aus dem "off" was werden ("centurio" oder sogar mehr), ohne von "Tuten und Blasen" eine Ahnung zu haben. Zur Information: der "Ritterstand" war die finanzkräftige Mittelschicht, Geldleute mit "much money in the bank". Man sieht auch hier: Geld regiert die Welt. Gut war diese Regelung allerdings nicht. So dürfte es einen germanischen Stammeskrieger wenig beeindruckt haben, ob jemand was von Geld versteht. Für diesen zählte nur, ob einer gut kämpfen konnte, also eine Waffe zu führen weiß. Und das konnten eben nur die altgedienten Haudegen, die sich von unten hochgedient hatten.
Was der Germane aber nicht wußte: Kriege müssen finanziert werden!
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Nach ROSS COWAN/ ANGUS MC BRIDE: RÖMISCHE LEGIONÄRE, Republik (58 v.-69 n. Chr.) und Kaiserreich (161-284 n. Chr.)
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decurio














Mittwoch, 17. Juni 2015

TACITUS: GERMANIA 8: TAPFERKEIT DER GERMANISCHEN FRAUEN-DIE SEHERINNEN

Memoria proditur (Es wird überliefert) quasdam acies inclinatas iam (daß schon wankende Heere) et labantes (und schwankende) a feminis restitutas (von den Frauen zum Stehen gebracht worden sind) constantia precum (durch die Beharrlichkeit ihrer Bitten) et obiectu pectorum (und das Entgegenhalten ihrer Brüste=das Entblößen) et monstrata comminus captivitate (und nachdem sie auf die unmittelbar drohende Gefangenschaft hingewiesen hatten), quam longe impatientius (die sie bei weitem ungeduldiger) feminarum suarum nomine timent (im Namen ihrer Frauen=für ihre Frauen fürchten: ertragen): adeo ut efficacius obligentur (so sehr, daß wirkungsvoller verplichtet werden) animi civitatum ("die Herzen der Stämme"=die Stämme), quibus (denen) inter obsides (unter den Geiseln) puellae quoque nobiles imperantur (auch vornehme Mädchen auferlegt werden),

Inesse quin etiam sanctum aliquid (Ja sogar daß etwas Heiliges ihnen innewohne) et providum (und etwas Seherisches: Sehgergabe) putant (glauben sie), nec consilia earum (und nicht ihre Ratschläge) aspernantur (verachten) aut responsa (oder ihre Antworten mißachten sie; und sie verachten weder deren Rat noch mißachten sie ihre Antworten). Vidimus sub divo Vespasiano (Wir haben unter dem vergöttlichten Vespasian gesehen) Veledam (die Veleda) diu apud plerosque (lange bei den meisten) numinis loco habitam (lange anstelle eines göttlichen Wesens "gehalten"; die lange für ein göttlichen Wesen.gehalten/ angesehen wurde), sed et olim Albrunam (aber auch einst die Albruna) et complures alias (und mehrere andere) venerati sunt (sind verehrt worden), non adulatione (nicht durch Schmeichelei; unterwürfiges Getue) nec tamquam (und auch nicht so, als) facerent deas (würden sie sie gleichsam zu Göttinnen machen).---

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by decurio

DAS GERMANISCHE THING: TACITUS: GERMANIA 11

De minoribus rebus (Über geringfügigere/ unwichtigere Angelegenheiten) principes consultant (beschließen die Anführer), de maioribus omnes (über wichtigere/ bedeutende alle), ita tamen (doch so), ut ea quoque (daß auch die Dinge), quorum penes plebem arbitrium est (deren Entscheidung beim Volk liegt), apud principes praetractentur (bei den Führern vorbehandelt/ vorher beraten werden). Coeunt (Sie kommen zusammen), nisi fortuitum et subium incidit (wenn nicht etwas Zufälliges und Plötzliches eintritt/ eingetreten ist), certis diebus (an bestimmten/ festgelegten Tagen), cum aut incohatur luna (wenn der Mond entweder "anfängt"=zunimmt=bei Neumond) aut impletur (oder "voll geworden ist"=bei Vollmond); nam agendis rebus (denn für "die zu tuenden Dinge"; für die Erledigung von Dingen) hoc auspicatissimum initium credunt (glauben sie, daß dies das Günstigste sei; sie halten dies für die günstigste Zeit; den... Zeitpunkt). Nec dierum numerum (und auch nicht die Zahl der Tage), ut nos (wie wir), sed noctium computant (sondern die der Nächte berechnen sie); sic constituunt (so setzen sie einen Termin an), sic condicunt (so verabreden sie; Anaphora und Asyndeton!): nox ducere diem videtur (es scheint, daß die Nacht den Tag herbeiführt; nach sich zieht; dem Tag vorangeht). Illud ex libertate vitium (Jenes ist ein Nachteil aus der Freiheit), quod non simul (daß sie nicht zugleich) nec ut iussi conveniunt (und auch nicht wie befohlen/ wie auf Befehl) kommen sie zusammen , sed (sondern daß) et alter et tertius dies (sowohl ein weiterer als auch ein dritter Tag) cunctatione coeuntium absumitur (durch das Zögern der Zusammenkommenden vergeudet wird). Ut turbae placuit (Wie es der Menge gefiel), considunt armati (nehmen sie bewaffnet Platz). Silentium per sacerdotes (Schweigen wird durch die Priester), quibus tum et coercendi ius est (denen dann/ nun auch das Recht des Strafens ist), imperatur (wird befohlen). Mox rex vel principes (Sodann werden der König und die Häuptlinge), prout aetas cuique (je nachdem jedem das Alter "ist"), prout nobilitas (je nach Vornehmheit), prout decus bellorum (je nach Kriegsruhm), prout facundia est (je nachdem (jedem) natürliche Rednergabe "ist"; ...jeder einzelne...besitzt), audiuntur (gehört), auctoritate suadendi magis (mehr durch das Gewicht ihres Ratens=Rates) quam iubendi potestate (als durch die Macht des Befehlens=Befehlsgewalt), Si displicuit sententia (wenn eine Meinung mißfallen hat/ mißfällt), fremitu aspernantur (dann lehnen sie diese mit Murren (viel Lärm) ab); sin placuit (wenn sie aber gefallen hat), frameas concutiunt (schlagen sie ihre Framen=Stoßlanzen zusammen): honoratissimum assensus genus est (es ist die ehrenhafteste Art der Zustimmung) armis laudare (mit Waffen zu "loben"; Beifall zu spenden).

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luna aut impletur: voll sind meistens diejenigen, die bei Mondlicht wandeln!

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decurio